Anonymous hat schon mal das Vorwort lektoriert. Klasse! Im ersten Moment fühlte es sich etwas unheimlich an, derart unzuweisbare Anmerkungen zu erhalten. Und man zögert doch noch einmal kurz: War das eine gute Idee, sich so zum Zerpflücken darzubieten? Sofort rätselt man: Wer steckt dahinter, kennt man den/die? Dann wird einem klar, dass diese Frage unerheblich ist, zudem ich selber gerne mit den Identitäten Verstecken spiele. Und dass man das aushalten, gar einfordern muß: Kritik. Zumal sie in Anonymus‘ Fall ja auch fundiert und überhaupt nicht trollig ist.
Das Internet macht eigentlich bloß sichtbar, was im Stillen sowieso passiert, vielleicht aber zuvor noch keine Plattform hatte: Sich-zu-etwas-verhalten, Meinung haben, Auseinandersetzung führen. Nun gilt es, sich wirklich endgültig von der Vorstellung des einsam-genialischen Autors zu verabschieden. Man schreibt immer für, von und mit. Auch wenn dieses sich da und dort aus einer bewussten Gegnerschaft oder Abgrenzung speisen mag: man ist nie ohne die Anderen. Und dieses Eingebundensein in die allgemeine kollektive Textproduktion und -rezeption wird Dank des Netzes nur bewusster, schiebt sich früher in den Schreibprozess hinein: Leser und Kritiker können bereits bei den „Proben“ anwesend sein. Was freilich auch bedeuten mag, das die „Werke“ immer unfertiger werden. Aber das waren sie eben sowieso schon immer, wir haben das nur zu vergessen gelernt. Das hat auch etwas Befreiendes: Sich sichtbar angreifbar zu machen legt die grundsätzliche Unabgeschlossenheit von Selbst und Werk offen und mindert den Druck nach dem Besondersseinwollen und dem Perfekten. Das ist ja überhaupt das Problem, das wir mit dem aktuellen Urheberrecht haben: unsere merkwürdige Vorstellung von dem, was Ich sei und dem, was dessen Äußerungen. Beides ist eben nicht so klar umgrenzt, wie das manche gerne hätten: „Ich ist ein anderer“, lautet nicht um sonst das berühmte Wort Rimbauds.
Nur das Eigentum, die klare Grenzziehung aber, erlaubt den Verkauf als Ware. Das Netz indes widerspricht schon von seinem Wesen her diesem Schlagbaum. Das ist der tiefe Grund unter der ganzen Problematik. Und ich muss sagen, ich bin doch sehr enttäuscht, dass eine ganze Riege Urheber-Pamphlete unterzeichnender Autoren auf diesem Auge blind zu sein scheint; Leute, die ihr Handwerk wirklich beherrschen, die doch aber gerade deshalb tiefer blicken können müssten. Stattdessen lassen sie nur tief blicken, nämlich in ihre diffuse Angst. Der sich abgehängt Fühlende, der Erniedrigte und Beleidigte, er flüchtigt sich dann gern ins Radikale. Was seinen Gegnern aber bitte Anlass für Empathie sein soll, denn bloßer Häme oder Aggression. Die feuert nur weiter an.
Zurück zur Warenproblematik: Ich finde also, Sascha Lobos These ist prinzipiell zuzustimmen, dass die Wertschöpfung langfristig eher aus der „Dienstleistung Buch“ und nicht dem materiellen Produkt gewonnen werden muss. Zumindest wenn wir als Gesellschaft den mit dem Netz eingeschlagenen Weg weitergehen wollen, anstatt ins Reaktionäre zu verfallen. Seine Thesen sind zwar im Einzelnen nicht neu, kommen aber, auch Dank seiner Bekanntheit, gerade zur rechten Zeit. Und ich hoffe, dass dadurch der eine oder andere auch hier bei den Wechselwetterwolken und dem Rowland-Experiment einmal vorbeischaut. Und die Frage mitdiskutiert: Wie soll und kann es aussehen, das überall lesbare, mobile Buch-im-Netz? Wie kriegen wir das „schön“ und „nutzbar“ hin nicht nur für Fachliteratur, sondern auch für Fiction – ohne uns gleich den Big Playern Apple, Google und Amazon an den Hals zu werfen. Mit welchen sozialen „Tools“ muß dieses Buch aufbieten? Und woher/wohin fließt für alles das das Geld?
P.S.: Kommende Woche folgt der nächste Rowland-Teil „mai-jun.doc.“ Darin nimmt die Geschichte dann richtig Fahrt auf … 😉
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3 Antworten zu „Rowland Public Beta – erster Zwischenbericht“