UNkreativwirtschaft

Wer es noch nicht mitbekommen hat: Den heutigen Tag hat der Deutsche Kulturrat zum Aktionstag „Wert der Kreativität“ erklärt. Deshalb ist es vielleicht noch eimal wert, daraufhin zu weisen, dass nicht so sehr die sogenannte „Kostenlosmentalität“ der Netzgemeinde Kreativarbeiter immer stärker um ihre Verdienste prellt, sondern vielmehr die systemischen Abschöpfungsmechanismen von Arm zu Reich sich eben heutzutage immer mehr auf immaterielle Arbeit konzentrieren. (Kurze Werbeeinblendung: eben darum geht es in ICH FINDE ES GUT, DASS IM THEATER ALLE UMSONST ARBEITEN. DA IST MAN DOCH GERNE DABEI.) Und dieses neue Regime beinahe frewilliger Ausbeutung und Selbst-Kontrolle wird dann von potentiellen FDP-Wählern und selbsternannten Heilern eines selbstdognistizierten Kulturinfarkts, aber auch so manchem naiven Kreativarbeiter gerne als „Kreativwirtschaft“ und Zukunft der Arbeit abgefeiert.
Geht das wahre Problem aber bitte allmählich mal in die Köpfe? Wachen durch den Börsengang von Facebook jetzt bitte mal ein paar mehr Leute auf?

Wer, wie die „Wir-sind-die-Urheber„-Pamphletisten den Status-Quo der Verwertungsindustrie nicht nur verbissen verteidigt, vielleicht sogar auch noch ein Leistungsschutzrecht fordert, sollte wissen, dass er damit zwar ein paar Leuten noch eine Verdienstbrandmauer verschafft, die vor dem digitalkapitalistischen Wandel ein Weilchen schützen mag,  damit  aber auch zugleich für die weitere Öffnung der sozialen Schere kämpft. Wer umgekehrt aber das Urheberrecht mit „fuck your copyright blah blah blah“-Attacken komplett abgeschafft sehen möchte, weil Geistiges ja eigentlich irgendwie überhaupt kein Eigentum sei und allen ohne Schranken zustehe, sollte konsequenterweise auch seine Facebook-, Google+ und Twitteraccounts löschen, wo mit seiner kostenlosen immateriellen Arbeit wenige Großkonzerne sich eine goldene Nase verdienen. Ja ihr Lieben, so konsequent müsst ihr dann schon auch sein!

Damit wir alle in einer künftigen Kulturgesellschaft vernünftig ein Ein- und Auskommen haben können, müssen ein paar Weichen grundsätzlich anders gestellt werden. Frank Krieger z.B. in der – wer hätte das gedacht! – FAZ  macht schon mal einen bedenkenswerten Vorschlag: Roboter müssen unsere Rente sichern.
Wer vorm Sozialismus zurückschreckt, den Kapitalismus in seiner aktuellen neoliberalen Ausprägung aber irgendwie auch nicht mehr so recht will (und das wollen offensichtlich immer mehr, wie die Blockupy-Frankfurt-Demo letzten Samstag bewies), der sollte vielleicht doch einmal zweidrei Gedanken ans Grundeinkommen verschwenden. Wär zumindest mal ein Punkt, an dem man ansetzen könnte.

Andernfalls bliebe nämlich irgendwann nur noch, dem Ratschlag Heiner Müllers zu folgen, und alle Kreativarbeit mal ein Weilchen einzustellen, um somit den Motor ins Stottern zu bringen:

EINZIGE MÖGLICHKEIT HERAUSZUFINDEN
WAS EINE ANTWORT SEIN KÖNNTE DARAUF
ALLE THEATER SCHLIESSEN DANN WEISS MAN
HINTERHER VIELLEICHT WARUM THEATER

Kommentare

5 Antworten zu „UNkreativwirtschaft“

  1. Ich wäre gespannt wie viel „Kultur“ noch übrig bleiben würde, hörten jetzt alle echten Kreativen auf. Konsumenten würden davon wenig mitbekommen, weil Kunst heute sogut wie nur noch Handwerk ist und das wird einfach ausgeübt, weil es Geld dafür gibt.

    1. Das wäre ich auch. Allerdings hängen da ja auch viele Definitionsfragen mit dran. Was ist ein „echter“ Kreativer, was unterscheidet ihn von anderen? Auch ist der Begriff „Kultur“ ja schon etwas ziemlich umfassendes, das nicht nur mit dem Reich der „Kunst“ zu tun hat, sondern auch mit dem Reich der Werkzeuge und Technik. Und die Debatte „Kunst“ vs. Handwerk ist natürlich auch nicht unproblematisch. Ich denke, der Begriff der „Ware“ hilft hier vielleicht eher weiter: „Wahre“ Kunst und/oder Kreativität will von ihrem Wesen her stets die Zurichtung als Warenform unterlaufen, überlaufen, verweigern, sprengen. Auch wenn ihr das gerade heute immer schlechter gelingt, weil eine Kunst, deren Wesen das nie gänzlich Greifbare ist, sich eben darum in der heutigen Spektakel- und Spekuliergesellschaft auch schlecht gegen Wertzuschreibungen und Kommerzialisierung wehren kann. Wie der Finanzmarkt auf Fiktionen basiert, so eben teils auch der Kunstmarkt, weshalb er mittlerweile teilweise ähnlich „bespielt“ wird. Insofern glaube ich schon, dass man einen Totalausfall merken würde. Vielleicht nicht sofort, sondern mit Verzögerung. Aber wenn man mit Kunst plötzlich nicht mehr spekulieren kann, weil nichts neues aufgelegt wird, würde das schon ein bisschen Geldwerte vernichten. Nur: So, wie das Platzen der Finanzblase sich zunächst an den Immobilien zeigte, wären auch die Orte des „Realiserens“ dieser Verluste womöglich andere.

  2. DerKritischeZeitDiagnostiker

    Liebe Herren Popp,

    Sie sind immer so schrecklich enthusiastisch-naiv, dass es Sie mir beinahe sympathisch macht. Aber gestern hat die ZEIT der Roborterpauschale eine Absage erteilt.

    Vielleicht sollten wir nun wieder über die Humanisierung der Arbeitswelt nachdenken und komplexe Lösungen suchen. Einfache Ansätze wie eine pauschale Abgabe sind selten geeignet, verwickelte Probleme zu lösen.

    Sie sind doch eigentlich auch gegen Pauschalisierungen durch Pauschalen (wie die Kulturflatrate), oder?

    1. Ja, Päusche sind Täusche. Aber zumindest startet jetzt mal die Diskussion, wie wir dem Trend zu immaterieller Arbeit und sinkenden Einkommen so begegnen, das sich weiterhin „gut“ leben lässt – das ist doch auch was!

  3. Hm, wenn man das hier über die neueste Robotertechnologie liest, könnte man bei dem Potential überflüssig werdender menschlicher Arbeitskraft, die Roboterpauschale doch bald nötig finden – als weitere Finanzierungsquelle eines immer obligatorischer werdenden Grundeinkommens.